Perspektivwechsel – „Hier spricht das Auto von Andrea“.
Hallo, ich bin das Auto von Andrea!
Ich wollte mal aus meiner Perspektive erzählen, wie das ist, wenn Andrea mit mir fährt.
Vielleicht interessiert es dich ja.
Also in meiner Erzählung fahren wir von Andrea´s Zuhause ins nächste Dorf einkaufen.
Die Garage, in der ich stehe ist ziemlich schmal. Die Vorbesitzer hatten wohl kleinere Autos.
Ich teile sie mir mit dem schwarzen Mercedes von Oswald. Wenn wir beide darin stehen, ist das sehr kuschelig. Viel Platz ist da nicht!
Das gemeinsame Parken funktioniert auch nur, wenn Oswald haarscharf rückwärts einparkt und Andrea haarscharf vorwärts auf der rechten Seite einparkt. Es hat schon einen kleinen Zwischenfall gegeben. Davon erzähle ich später.
Jetzt wollen wir zum Einkaufen. Wenn sich das Garagentor öffnet, dann weiß ich, dass einer von uns Autos fahren darf.
Also, das Garagentor öffnet sich; ich stehe alleine in der Garage ganz rechts an der Wand. Andrea kommt herein und öffnet schon von Weitem mit dem Schlüssel meine Türen.
Das geht heute ganz schnell. Einfach mal auf das Köpfchen drücken, und schon sind die Türen entriegelt. Ich sehe, dass sie einen Korb und eine Einkaufstasche in der Hand hat. Dann weiß ich schon, wohin die Reise geht. Sie öffnet meinen Kofferraum, stellt beides in mich hinein. Meine linke Tür wird geöffnet.
Sie zieht ihre Jacke aus und wirft sie mit ihrem Rucksack auf den Beifahrersitz.
„Aha, wir fahren alleine!“
Jetzt bin ich mal gespannt, wie wir hier herauskommen. Gestern war es wirklich haarscharf an der Wand. Sie startet den Motor.
Das hört sich immer richtig gut an, wenn ich so dahin schnurre!
Der Rückwärtsgang wird eingelegt und sofort piept meine Einparkhilfe ganz aufgeregt.
Das bereitet mir mittlerweile etwas Stress. Vor 2 Jahren zur Fußball-Weltmeister mußte Andrea morgens um 4:30 Uhr zum Flughafen fahren.
Sie war wohl noch etwas müde und hatte das Radio auf voll laut gestellt, da ihr Lieblingslied wurde gespielt. Da hat sie das superhektische Piepen der Parkhilfe nicht gehört. Wir sind an der weißen Rauhputzwand hängen geblieben. Oh Mann, das hat ganz schön weh getan! Seitdem habe ich an meinem Kotflügel Schrammen und weiße Streifen von der Wand.
Es hat ihr auch sehr leid getan, und sie hatte wohl einige Tränen in den Augen.
So, dass war jetzt ein kleiner Ausflug. Vorsichtig fährt sie zurück. Neuerdings ist das Radio immer viel leiser gestellt. Also sie fährt zurück, noch einmal vor und zurück und dann sind wir aus der Garage heraus. Sie bringt mich immer ganz vorsichtig die schräge Einfahrt hoch, damit wir ja nicht von einem Auto auf der Strasse erfasst werden. Das hat bisher auch immer geklappt. Den Vorwärtsgang eingelegt, und schon geht es ins Dorf hinunter. Ganz geschickt steuert mich Andrea zwischen die wild durch einander geparkten Autos hindurch.
Dann sausen wir gekonnt zum NETTO hinunter. Sehr übersichtlich meistert sie die Schikane in der Straße und setzt den Blinker rechts. Wir fahren um die Kurve und an der nächsten Kreuzung wieder rechts den Berg hinauf. Da dürfen wir nur 30 km/Std. fahren. Meistens hält sie sich daran. Oben an der Ampel: Blinker nach links, denn wir wollen ja nach Görsroth.
Sie schaltet mich entspannt und rechtzeitig. Ihr müßt wissen, dass ich ein Auto mit Schaltung bin. So muß mein Motor nicht aufheulen und wird geschont.
Andrea und ich sind jetzt schon 12 Jahre zusammen. Sie hat gesagt, dass wir noch mindestens zwei Jahre ein Team bleiben wollen.
Auf der Landstrasse zwischen Wiesbaden und Limburg fahren wir mit 80 km/Std gerade aus an der Linksabbiegerspur zur Autobahn vorbei. Das kleine Gewerbegebiet von Görsroth kommt in Sicht. Blinker links und vor der roten Ampel halten. Wir wollen auf den Parkplatz bei TEGUT halten.
Geschickt manövriert Andrea mich durch den Kreisverkehr mit der großen silberfarbenen Metallkugel. Die dritte Ausfahrt raus und gleich wieder links auf den Parkplatz. Hier ist unsere Reise vorerst zu Ende.
Sie sucht immer solche Parkplätze aus, dass ich ganz bequem das Treiben auf der Straße beobachten kann.
Wir sind schon ein tolles Team, die Andrea und ich.
Wallbach, 21.07.2019