Ein wahres Märchen.
In der guten alten Zeit als alles noch ausgeglichen war,
hielten sich das Pflichtbewusstsein und der Kreative Ausdruck die Waage.
Es war eine schöne Mischung.
Die Kreativität traf täglich Absprachen mit dem Pflichtbewusstsein,
wer wann seinen Raum am Tag einnehmen durfte.
Die Leichtigkeit war auch dabei und ist jeden Morgen schwungvoll aufgestanden
und freute sich auf den Tag und die Zeit mit den beiden.
Es gab schon einen gewissen Kampf, wer etwas mehr vom Tag beanspruchen durfte.
Der kreative Ausdruck tanzte mit der Leichtigkeit und war sehr in seinen Sphären unterwegs.
Dabei bemerkte er gar nicht wie das Pflichtbewusstsein streng und akribisch daran arbeitete mehr Raum einzunehmen.
Für die Pflicht war es eine wichtige Sache.
Sie wurde schon sehr früh angesprochen und ins Leben gerufen.
Erlangte so an Wichtigkeit.
Während die Kreativität nur so sprudelte.
Welt vergessen bemerkte sie nicht,
dass das Pflichtbewusstsein jeden Tag eine Minute mehr Zeit einnahm.
Das führte dazu, dass die Leichtigkeit kleiner wurde und sich fast ganz zurück zog.
Die Kreativität wurde langsamer und träger.
Bis sie eines Tages morgens nicht mehr aufgestanden ist.
Sie blieb einfach liegen und verfiel in einen Dornröschen-Schlaf.
Das Pflichtbewusstsein war übergroß geworden.
Schwere gesellte sich dazu und machte den Tag auch nicht heller.
„Die Pflicht, immer nur die Pflicht!“
Das führte dann zum Alleinsein.
Zeit und Raum für Kontakte mit Menschen gab es wenig.
Lahm und antriebslos wälzte sich die Kreativität im Bett herum.
Unfähig sich seiner Bedeutung bewusst zu werden.
Reisen, Bewegung und Spontanität waren verschwunden.
„Die Pflicht, immer nur die Pflicht!“
Doch diese erschöpfte sich selber.
Hatte keine Kraftquelle mehr, da die Kreativität ihren Ausdruck völlig verloren hatte.
Das Pflichtbewusstsein kränkelte, wurde selber lahm und bemerkte,
was eigentlich geschehen war.
Es hatte zwar den ganzen Tag für sich gewonnen und dominierte alles.
Doch ihm war nie bewusst gewesen, wie sehr es die Kreativität
und auch die Leichtigkeit für seine eigenes Sein brauchte.
Die Verpflichtung für alles und jedes hatte sich erschöpft.
Sie legte sich in eine Ecke und wollte nicht mehr aufstehen.
Da lagen die beiden Protagonistinnen.
Die eine im Bett und die andere in der Ecke.
Fast schien alles dem Ende entgegen zugehen.
Trauer überzog das Land und eine Rettung schien nicht in Sicht.
Doch da gab es noch die Leichtigkeit.
Sie hatte ihren Schwung nicht ganz verloren und erinnerte sich an die alten Zeiten,
in denen die Kreativität und das Pflichtbewusstsein gleichberechtigt waren.
Die Leichtigkeit setzte sich ans Bett; nahm die Hand der Kreativität und erzählte ihr von früher.
Erinnerte sie welchen künstlerischen Ausdruck sie hatte. Wie schön sie war.
Sie berichtete auch vom Zustand des Pflichtbewusstseins.
Wie es völlig kraftlos in der Ecke lag.
Und dass die Pflicht bemerkt hat, dass es ohne die Kreativität und die Leichtigkeit seine Aufgaben nicht erfüllen konnte.
Die Leichtigkeit schilderte den Zustand so dramatisch, dass es das Herz der Kreativität erweichte.
Mit einem Mal erinnerte sich der kreative Ausdruck, wie schön es früher war,
wenn sie zu dritt durch den Tag gegangen sind.
Und genau das wollte sie wieder zurück haben.
Zu mal das Pflichtbewusstsein zur Einsicht gekommen schien.
Die Lebensgeister der Kreativität regten sich, und sie wurde ganz aufgeregt.
„Du Leichtigkeit! Weißt du denn, wo das Pflichtbewusstsein jetzt ist?
Wollen wir nicht mit ihm sprechen und wieder Freunde sein?
Was meinst du?“
Die Leichtigkeit freute sich über die Rückkehr der Lebensgeister.
„Klar, weiß ich, wo das Pflichtbewusstsein zu finden ist. Los komm´, wir gehen gleich hin!“
Sie nahmen sich bei den Händen und liefen los.
Wurden schneller und schneller,
bis sie in der Ferne etwas zusammen gekauert in der Ecke liegen sahen.
Erbärmlich sah das Pflichtbewusstsein aus.
Es atmete schwer und war in einem Dämmerschlaf.
Die Kreativität war zu tiefst betroffen und setzte sich zu ihm.
Streichelte ganz sanft den Rücken und sang ein Lied.
Es war ihr Lied aus der alten Zeit.
Die Pflicht riebe sich die Augen und die Ohren und richtete sich vorsichtig auf.
Als es die Augen ganz öffnete, liefen ihm die Tränen.
Es umarmte die Kreativität wortlos und schluchzte ganz laut.
„Es tut mir so leid! Ehrlich! Ich war so dumm! Danke, dass du gekommen bist.
Danke, das ihr gekommen seid. Ich habe euch so sehr vermißt.
Wollen wir wieder Freunde werden?
Ich wünsche es mir so sehr!“ Schnief.
Die Leichtigkeit und der kreative Ausdruck halfen dem Pflichtbewusstsein beim Aufstehen.
Sie reichten sich die Hände und tanzten im Kreis.
Viel mußten sie nicht sprechen.
Sie wußten, dass sie wieder gute Freunde waren und
bis in alle Ewigkeit Freunde blieben.
© 20.02.2021